Das grosse Paradox der KI: Brillant aber vergesslich

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Die künstliche Intelligenz macht täglich beeindruckende Fortschritte, doch ein fundamentales Problem bleibt ungelöst: Das Gedächtnis der grossen Sprachmodelle gleicht einem Sieb. Während ChatGPT & Co. komplexe mathematische Probleme lösen und wissenschaftliche Texte analysieren können, haben sie Schwierigkeiten, sich an ein Gespräch zu erinnern, das erst vor wenigen Minuten stattfand.

Stellen Sie sich einen brillanten Professor vor, der zwar jeden wissenschaftlichen Diskurs führen kann, aber nach 10 Minuten vergisst, worüber er gerade gesprochen hat. Genau so verhält es sich mit den aktuellen KI-Modellen. Sie sind in der Lage, Doktoranden-Niveau zu erreichen, können sich aber nicht an den Anfang ihrer eigenen Ausführungen erinnern.

Die Dimensionen dieses Problems sind gewaltig: Allein ChatGPT verzeichnet täglich über 100 Millionen aktive Nutzer. Die Kosten für die Implementierung eines sechsmonatigen Gedächtnisses für jeden einzelnen dieser Nutzer würden sich auf etwa eine halbe Billion Dollar belaufen – eine astronomische Summe, die selbst die Ressourcen von Tech-Giganten wie OpenAI übersteigt.

Dieses Dilemma wirft fundamentale Fragen auf:

  • Wie können wir mit einer KI sinnvoll interagieren, die zwar brilliant ist, aber kein Langzeitgedächtnis besitzt?
  • Welche Auswirkungen hat dies auf unsere eigene Art, Informationen zu verarbeiten und zu speichern?
  • Sind wir der Lösung dieses Problems heute näher als vor Jahren?

Paradoxerweise scheint sich die Situation sogar zu verschärfen: Je leistungsfähiger die Modelle werden, desto deutlicher zeigen sich die Grenzen ihres Gedächtnisses. Es ist, als hätten wir einen hochintelligenten Gesprächspartner erschaffen, der unter einer schweren Form von Kurzzeitgedächtnisverlust leidet.

Die Herausforderung liegt nun darin, Wege zu finden, wie wir diese brillanten aber vergesslichen KI-Systeme optimal nutzen können. Denn eines ist klar: Trotz ihrer Limitierungen sind grosse Sprachmodelle zu wertvollen Werkzeugen geworden. Die Kunst wird sein, ihre Stärken zu nutzen und gleichzeitig Strategien zu entwickeln, um ihre Gedächtnislücken zu kompensieren.

Vielleicht müssen wir auch unsere Erwartungen anpassen: Statt einer allwissenden KI mit perfektem Gedächtnis bekommen wir hochspezialisierte Assistenten für den Moment. Das mag nicht ideal sein – aber es ist die Realität, mit der wir uns arrangieren müssen, bis eine technische Lösung für das Gedächtnisproblem gefunden wird.

Bleiben Sie gespannt – die Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen.

Rolf Jeger, ein preisgekrönter Werber mit Ehrungen aus Cannes bis New York, verband früh seine Leidenschaft für Technologie mit unternehmerischem Geschick. Mit 15 Jahren programmierte er Software für den Commodore 64, die in Schweizer Filialen landete. Nach einer Banklehre siegte jedoch die Faszination fürs Marketing. Seine Arbeit für die Swissair markierte den Auftakt einer beeindruckenden Karriere in der Kommunikation. Heute leitet er eine Agentur in Zürich, wo er Marketing und IT in der Ära der digitalen Transformation vereint. Die KI-Revolution, die nun den Massenmarkt erreicht, inspiriert ihn so sehr, dass er sie nicht nur beruflich nutzt, sondern auch Bücher darüber schreibt.