Ich muss gestehen: Wie oft habe ich Menschen belächelt, die behaupteten „Mein Handy hört mit!“ oder „Nach unserem Gespräch über Wanderschuhe sehe ich plötzlich überall Werbung dafür“. Jovial habe ich abgewunken und erklärt, die Tech-Giganten hätten doch schon genug Daten über uns, sie bräuchten keine heimlichen Aufnahmen.
Ich lag falsch.
Wie sich jetzt zeigt, hat Siri tatsächlich ungefragt private Gespräche aufgezeichnet und diese Daten wurden mit Dritten geteilt. Apple hat sich nun bereit erklärt, einen Vergleich in Höhe von 95 Millionen US-Dollar zu zahlen, um eine entsprechende Sammelklage beizulegen. Ein deutliches Eingeständnis – auch wenn das Unternehmen offiziell jegliches Fehlverhalten bestreitet. Meine Beurteilung dazu ganz unten. Ich verlinke auch auf die originale Sammelklage und auf den BBC-Beitrag zum Fall.
Der Fall im Detail
Die Kläger warfen Apple vor, dass Siri private Gespräche ohne Zustimmung der Nutzer aufzeichnete und diese Aufnahmen mit Dritten teilte. Betroffen sind alle US-Bürger, die zwischen September 2014 und Dezember 2024 ein Siri-fähiges Gerät besassen.
Was der Vergleich vorsieht
- Ein nicht-reversibler Fonds von 95 Millionen Dollar
- Bis zu 20 Dollar pro betroffenes Gerät für Nutzer
- Komplette Löschung aller Siri-Audioaufnahmen vor Oktober 2019
- Neue Transparenzseite zur Datennutzung durch Siri
Bemerkenswert ist auch die nicht-monetäre Komponente: Apple verpflichtet sich, innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten alle Siri-Audioaufnahmen aus der Zeit vor Oktober 2019 permanent zu löschen. Zusätzlich wird das Unternehmen transparenter darüber informieren, wie die „Siri verbessern“-Option funktioniert und welche Daten dabei gespeichert werden.
Ein Weckruf
Die formelle Genehmigung des Vergleichs steht noch aus – ein Gerichtstermin ist für Februar 2025 angesetzt. Sobald der Vergleich genehmigt ist, können betroffene Nutzer ihre Ansprüche geltend machen. Die Auszahlung erfolgt anteilig basierend auf der Anzahl der eingereichten Ansprüche.
Dieser Vergleich sendet ein deutliches Signal an die Tech-Branche: Datenschutzverletzungen können teuer werden. Auch wenn Apple jegliches Fehlverhalten bestreitet, zeigt die Höhe des Vergleichs, wie ernst Unternehmen das Thema Privatsphäre mittlerweile nehmen müssen.
Mit der zunehmenden Integration von KI-Assistenten in unseren Alltag wird die Frage nach dem Schutz unserer Privatsphäre immer wichtiger. Dieser Fall könnte wegweisend sein für künftige Auseinandersetzungen zwischen Tech-Giganten und Verbraucherschützern.
Der Ball liegt nun beim Gericht – wir halten Sie über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden.
Beurteilung Siri-Mitschnitte: Absicht oder Versehen?
Pro technisches Versehen
- „Hey Siri“-Erkennung erfordert technisch ein ständiges Mithören
- Fehlaktivierungen sind ein bekanntes Problem bei Sprachassistenten
- Apple hat nach Bekanntwerden Massnahmen ergriffen
- Unternehmen hat transparente Opt-in-Politik eingeführt
- Vergleichsverhandlungen wurden schnell aufgenommen
Contra – Hinweise auf Absicht
- Aufnahmen wurden mit Dritten geteilt
- Keine sofortige Löschung der Fehlaufnahmen
- Mangelnde Transparenz gegenüber Nutzern
- Keine proaktive Information über mögliche Fehlaktivierungen
- Hohe Vergleichssumme deutet auf ernste Versäumnisse hin
Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte: Apple hat die Risiken der „Hey Siri“-Technologie in Kauf genommen, ohne ausreichende Schutzmechanismen zu implementieren. Während die Aufnahmen selbst vermutlich technisch bedingt waren, ist der nachfolgende Umgang mit diesen sensiblen Daten das eigentliche Problem. Die hohe Vergleichssumme von 95 Millionen Dollar spiegelt diese Einschätzung wider: Es war kein böswilliges Abhören, aber eine fahrlässige Handhabung der Privatsphäre.
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